Läuse, lauter Läuse

 In Kurzgeschichten

Läuse, lauter Läuse

Mein Sohn war damals noch sehr klein. Er hatte auf seinem Hinterköpfchen ein klitzekleines Glätzchen. Ich war gerade mit einem Abfallsack auf dem Weg zur Mülltonne. Im vorbeigehen streichelte ich dem süssen, spielenden Kind über sein Haar. Da sah ich es, das Tier. Es spazierte genau über das Glätzchen, sonst hätte ich es nicht gesehen.

Auf meiner Festplatte war es gespeichert, dieses kleine Ungeziefer. Ich hatte es irgendwann, irgendwo schon einmal gesehen. Vielleicht in einem Buch. Oder meine Mutter hat mir davon erzählt. Auf jeden Fall wusste ich sofort, dass es eine Laus sein musste.

Ich holte schnell eine Zündholzschachtel und machte mich auf Läusejagt. Mein Sohn war weder begeistert noch einverstanden. Er wollte lieber mit seinem Lastwagen spielen. Wir sind schliesslich keine Affen.

Nach langem suchen und kämpfen hatte ich es geschafft. das Tier war eingefangen in der Schachtel und mein Sohn wütend. Ich belohnte ihn mit einem Schoggibrot.

Dann lief ich schnell zu meinem mann, um ihm die Beute zu zeigen.

Er meinte, dies sei keine Laus. Läuse hätten acht Beine und seien viel grösser und könnten sogar springen.

Die Meinung eines Freundes war, das sei wirklich keine Laus. Läuse hätten zwei Beine, wären viel kleiner und seien längst ausgestorben.

Nach der Meinung einer Freundin war diese Laus ein völlig anderes Lebewesen. Eines aus dem Wald. So eine Art Blattlaus.

Ich aber war mir meiner Sache ganz sicher. Sehr sogar. So sehr, dass alle acht Kinder, die in diesem Haus wohnten von mir auf Läuse durchsucht wurden.

Am Ende der Suche hatte ich eine halbe Schachtel voller „ Blattläuse „ gefangen genommen. Und eine Horde wildgewordener und wütender Kinder tobten um mich herum. Mir viel plötzlich auf, dass sie sich alle kratzten. Und ich mich auch.

Ich fuhr in die Apotheke und kaufte Gift zum Läuse umbringen. Viel davon und teuer dazu.

Da ich eine Perfektionistin bin, machte ich alles ganz genau so, wie es auf dem Beipackzettel stand. Die Köpfe der Kinder wurden eingeschäumt mit dem Läusegift. Die Einwirkungszeit mass ich mit Hilfe einer genauen Uhr. dann ausspülen und das ganze wiederholen. Zur Sicherheit und Vorbeugung gleich drei, statt zweimal.

Betten mussten frisch bezogen werden. Stofftiere in den Tiefkühler gelegt werde. So stand es auf dem Beipackzettel.

Leider wurde einem nicht erklärt, wo die fünfzig Stofftiere der vielen Kinder tiefgekühlt werden sollte. Und so stopfte ich unseren Restaurant Tiefkühler voll. Irgendwo, zwischen Schnitzel, Pommer und Eis und Gemüse hatten die Teddybären, Elefanten, die Affen, die Eichhörnchen, die Delfine, Tiger undLöwen noch Platz.

Im Waschhaus war einunheimlich grosser Berg von Wäsche. als die Waschmaschine das sah, machte sie gleich schlapp. der Monteur sagte,

leider nix zu machen.

Mütter und Schwiegermütter wurden angerufen, um die Wäsche zu holen, heiss zu waschen und noch heisser zu bügeln. So stand es schliesslich auf dem Beipackzettel.

Am Abend war alles blitzsauber. Die Köpfe der Kinder rochen nach „ Läusejäger „ und sie waren kaum in ihre Betten zu bringen ohne ihre Kuscheltiere.

Plötzlich rannte ich zu meinem Mann und begann sein Haar zu durchsuchen. Und zwar mitten in unserer Gaststube. Ein Gast, der gerade sein Schnitzel essen wollte, fragte mich, was ich da tue. Als ich es ihm sagte, verliess er das Restaurant. Ein halbes Jahr später kam er wieder einmal und fragte scheu nach den Läusen.

Tatsächlich fand ich auch auf meines Mannes Kopf Läuse. Das es aber kein warmes Wasser mehr hatte, spürten wir erst, als unsere Köpfe voller Läusegiftschaum waren. und unsere Nachbarn waren hellbegeistert, als wir bei ihnen duschen wollten.

Eine Woche später hatten unser Kinder noch immer, oder schon wieder Läuse. Wir wussten nicht, dass Läutere per Handarbeit entfernt werden sollten. Und die Haare waren voll davon. Schade, fand ich, denn diese Bierchen sahen nett aus. So wie kleine Perlen. Vor allem in den langen Haaren unserer Mädchen.

Unmöglich, dachte ich. Das schaffe ich nie im Leben. Ich hätte hundert Jahre gebraucht, um diese Eierchen aus den Kinderhaare zu entfernen. Und so fuhr ich mit der ganzen Kinderschar zum Haarschneider. Der freute sich natürlich und verlangte einen Sonderpreis, der Läuse wegen.

Na ja, dachte ich. Das ist immer noch billiger als Läusekiller, der dann nix bringt.

Die Kinder waren nach dieser Prozedur kaum wieder zu erkennen. Die Mädchen sahen aus wie Lausbuben mit ihren kurzen Haaren.

Zu Hause gab es zur Krönung dieser Geschichte für alle ein ganz grosses Eis.

Und unsere Kinder sahen nicht mehr so verlaust und zerzaust aus.

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